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Susan Boos, Chefredaktorin WOZ Die Wochenzeitung
Weil ich sonst arbeitslos wäre und nicht mehr tun könnte, was ich am besten kann oder am liebsten tue, was nicht immer dasselbe ist. Man könnte ausschweifen und hinzufügen: Es braucht Journalismus für die Aufklärung – ohne krepiert die Demokratie. Daran glauben wir aufrichtigen und aufgeklärten JournalistInnen, weil sonst alles, was wir tun, zum Hobby verkäme. Aber stimmt es auch? Droht dem Journalismus nicht ein ähnliches Schicksal wie dem Indium? Dieses seltene Metall steckt in Handys, Bildschirmen oder Sonnenkollektoren, wird immer knapper und könnte in zehn, zwanzig Jahren ganz verloren sein – sprich auf dem Müll lagern.
JournalistInnen dürfte es immer geben, keine Bange. Aber vielleicht landet einmal der Journalismus auf dem Müll. Wenn die Mehrheit einer Gesellschaft nicht mehr unterscheiden kann zwischen Qualitäts- und Wegwerf-Journalismus, zwischen Rercherche und Hetze, zwischen Analyse und Verschwörungstheorie. Warum dann noch Journalismus? Schlicht, weil es das Handwerk ist, das die Gegenwart und die Machtverhältnisse ergründen kann. Was auch immer kommt: Etwas anderes haben wir nicht.
Albert P. Stäheli, CEO NZZ-Mediengruppe
Der gegenwärtige Strukturwandel stellt vor allem Zeitungsverlage vor grosse Herausforderungen. Sie bewegen sich zukünftig mit ihrem Geschäftsmodell auf zunehmend unsicherem Terrain. An der Notwendigkeit des Journalismus ändert sich deswegen aber im Grunde nichts. Die Gesellschaft braucht ihn aus den klassischen Gründen: zur Herstellung von Öffentlichkeit, zur Kontrolle staatlicher und anderer Gewalten und für den Einzelnen zur Meinungsbildung und Orientierung. Die kurze Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass wir auch im digitalen Zeitalter auf professionelle und unabhängige Intermediäre angewiesen sind. Recherche, Analyse, Bewertung und Auswahl, sind in der zunehmenden Informationsflut sogar wichtiger denn je. Nach dem ersten Hype um Bürgerjournalismus, Blogs und Social Networks scheint sich langsam die Erkenntnis herauszukristallisieren, dass diese neuen Kommunikationsformen zwar willkommen sind, aber nur Ergänzungen zur professionellen Publizistik darstellen können.
Schwieriger zu beantworten ist denn auch die Frage, wie erfolgreicher Journalismus künftig aussehen wird. Um bestehen zu können, müssen Medienunternehmen ihre Produkte an das veränderte Marktumfeld anpassen, sie noch weiter differenzieren und profilieren. Die Glaubwürdigkeit von Medienmarken wird nicht durch Werbung erzeugt, sondern durch andauernde Kompetenz und Verlässlichkeit im redaktionellen Inhalt. Das geht nur mit einem professionellen, ausdifferenzierten Journalismus, der es schafft, Inhalte sowohl zielgruppen- wie auch mediengerecht zu verbreiten. In dieser stärkeren Fokussierung auf die Bedürfnisse der Mediennutzer steckt wohl eine wesentliche Veränderung im beruflichen Selbstverständnis der Journalisten. Man darf dies aber nicht falsch verstehen: Unabhängigkeit und Skepsis nach allen Seiten muss nach wie vor zur Grundausstattung im Journalismus gehören. Neben der reinen Fachkompetenz werden aber Fähigkeiten in Bezug auf Darstellungsform und Verbreitungsweg an Bedeutung gewinnen.
Roger de Weck, Schweizer Publizist, Fernsehmoderator und designierter Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR idée suisse
Wozu noch Journalismus? Nach wie vor zwecks Aufklärung – wozu denn sonst? Seit der «Relation aller fürnemmen und gedenckwürdigen Historien», die als erste Zeitung 1605 in Strassburg erschien, ging es um das Aufklärerische. Und um gute Geschichten.
Colette Gradwohl, Chefredaktorin Der Landbote
Wozu noch Journalismus?
Mehr als ein Dutzend beflügelnde Antworten aus berufenen Federn liegen bereits vor. Die Frage hat schon früher Journalisten und Medienfachleute umgetrieben. Und auch wenn die Zeiten und Verhältnisse zum Teil andere waren, manche Antwort hat sie überdauert, ist möglicherweise aktueller, gültiger und wegleitender denn je.
«Das Alpha und Omega des Journalismus ist das Verstehen und Verstandenwerden. Die Menschen sollen über das vermittelnde Geschäft des Journalismus zu Verstehenden gemacht werden.»
Hermann Boventer
«My only interest is to make a contribution to better knowledge and better thinking.»
Eugene Meyer (als er 1933 in Washington die «Post» kaufte, die spätere «Washington Post»)
«Journalism provides something unique to a culture – independent, reliable, accurate and comprehensive information that citizens require to be free.»
Bill Kovach/Tom Rosenstiel
«Das Verstehenwollen ist ein starkes Verlangen, das sich unter dem Eindruck zunehmender Komplizierung der gesellschaftlichen Organisation noch weiter ausbilden wird.»
Jürg Tobler
«Die Medien bleiben, allem Strukturwandel zum Trotz, Sachwalter der Öffentlichkeit.»
Anton Hügli
«Zeitungsschreiber und Professoren, zwischen ihnen liegt, wenn nicht eine Welt, so doch eine Kenntnis von dieser Welt. Eine Kenntnis, die nicht aus Büchern zu holen ist.»
Carl von Ossietzky
«Es ist unvorstellbar, eine Welt ohne Zeitung zu haben, das hiesse, eine Welt ohne neugierige Menschen.»
Josef Joffe
«In the long run, people will pay attention to journalism only if they think it tells them something they must know.»
James Fallows
Die neuste Studie «World Press Trends», die anfangs August vom Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA) vorgestellt wurde, belegt: 1,7 Milliarden Menschen lesen täglich eine Tageszeitung. Dies entspricht 25 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung. 2009 wurden weltweit 12’477 Zeitungen verlegt. Dies entspricht einem Zuwachs von 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Salvador Atasoy, Doktorand der Universität Zürich und Journalist bei SRDRS / Information
Braucht es künftig noch Journalistinnen und Journalisten?
Wer mit «Nein» antwortet, will heute nicht mehr nur provozieren. Er kann auch auf eine Reihe guter Argumente verweisen.
Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels aus Wissenschaft und journalistischer Praxis erklären:
Betrachten wir dazu den Lifestyle-, genauer den Modediskurs (analog zum Politik- oder Wirtschafts-Diskurs). Dieser Diskurs ist wie kein anderer den gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen. Etwaige Konsequenzen der Digitalisierung und damit der «Demokratisierung» der Kommunikation, wenn wir sie der Einfachheit so nennen wollen, lassen sich an diesem Diskurs besonders gut aufzeigen.
Der Medientheorie nach liegt die Deutungshoheit des medialen (Mode-)Diskurses beim (Mode-)Journalisten. In der Praxis sieht das wie folgt aus: Die Modeindustrie präsentiert ihre Kreationen an Modeschauen in Mailand und Paris. Der Journalist sitzt in der ersten Reihe. Er rapportiert und interpretiert. Seine Berichterstattung bestimmt den medialen Diskurs. Zumindest war das bis anhin so.
Seit ein paar Jahren werden Journalisten zunehmend von Menschen mit Netbooks und Digitalkameras verdrängt. Diese meist jungen Leute haben in der Regel keine journalistische Ausbildung mehr. Die journalistische Haltung kennen sie folglich nicht, denn sie produzieren nur noch für ihre eigenen Medien – sprich Blogs, Podcasts, Newsletters u.a..
Kaum ist die Mode-Schau vorbei, stehen Fotos und Informationen dezentral zur Nutzung online. Für immer mehr interessierte Rezipienten findet der Mode-Diskurs deshalb auch oder gar ausschliesslich online statt. Die Mode-Industrie hat reagiert und lädt Blogger gezielt zu Modeschauen ein. Was klassische Modemagazine Wochen später berichten, ist für viele Rezipienten daher keine wissenswerte Neuigkeit mehr.
Der Theorie nach hat der (Mode-)Journalist damit die Deutungshoheit über den medialen (Mode-)Diskurs verloren. Ähnliches ist dereinst im Wirtschafts- und Politik-Diskurs denkbar. Die zu Beginn gestellte Frage könnte daher auch lauten: Kann der Journalist die Deutungshoheit über den medialen Diskurs zurück gewinnen? Und wenn ja, wie?
Die Überlegung der Medientheoretiker und Verleger, der Journalist müsse nur professionell und multimedial alle Kanäle bedienen um Blogger zu überstimmen, greift wohl etwas zu kurz. Denn alleine mit Überpräsenz, Geschwindigkeit und Penetranz lässt sich keine Deutungshoheit mehr herstellen. In der Theorie funktioniert dies nur in absoluten Herrschaften – in der Praxis gar nicht. Ganz abgesehen davon sind die Nicht-Journalisten in der digitalen Welt längst in der Überzahl.
Die Digitalisierung verändert den medialen Diskurs, sie definiert ihn neu. Warum also sollte die Medientheorie nicht auch den Journalismus und das journalistische Verständnis neu definieren, um der Deutungshoheit über den eigenen Diskurs gerecht zu werden? Folgende Punkte müsste man dabei beachten:
Die «News», das Ereignis findet heute 24/7 statt. Der Rezipient ist nicht mehr an einzelne Medien oder Distributionskanäle gebunden. Der Rezipient wird mit Informationen überhäuft, das einzelne Ereingis verliert an Wichtigkeit. Die Gesellschaft besteht aus hochspezialisierten Individuen.
Der Theorie nach hätte dies für den Journalismus folgende Konsequenzen: Das Gate-Keeping wird noch wichtiger. Der Journalismus muss professioneller werden – Analyse, Recherche, Erfahrung, Wissen, vernetztes Denken und Quellenpflege werden zum Wettbewerbsvorteil. Universitäres Denken und journalistische Praxis müssen enger verknüpft werden. Der Journalismus wird teurer.
Dies hätte Folgen für die journalistische Praxis. Ein Ereignis wäre künftig nur noch Denkanstoss und nicht mehr Hauptinhalt einer Geschichte. Neue Verbreitungstechniken, Stichwort «iPad», bestimmen die Art des medialen Diskurses. Team-Arbeit, denkbar auch in Zusammenarbeit mit Universitäten, wie dies in den USA bereits probiert wird, würde in den Vordergrund rücken.
Die Vision heisst folglich nicht unbedingt «Newsroom» sondern «Think-Teams». Die Deutungshoheit des Diskurses würde dann nicht mehr dem Journalisten, sondern einer kollaborierenden Gruppe unterliegen. Hierin liegt eine der Stärken der traditionellen journalistischen Arbeit. Denn das Internet ist dezentral organisiert. Lokale Teamarbeit ist die Schwäche des «Web 2.0».
Wozu noch Journalismus? Roland Jeanneret (Schweizer Radio) antwortet dem MAZ
Statement am Mediapodium 2010 des MAZ – Der Schweizer Journalistenschule von Roland Jeanneret, Schweizer Radio DRS
Wozu noch Journalismus? Jonathan Hewett (City University London) antwortet dem MAZ
Statement am Mediapodium 2010 des MAZ – Der Schweizer Journalistenschule von Jonathan Hewett, Director of Newspaper Journalism, Graduate School of Journalism, City University, London
Wozu noch Journalismus? Rudof Matter, Direktor SRF, antwortet dem MAZ
Statement am Mediapodium 2010 des MAZ – Der Schweizer Journalistenschule von Rudof Matter, Direktor von Radio und Fernsehen SRF
Kurt Imhof, Prof. Kommunikationswissenschaften und Soziologie, Universität Zürich
Wozu noch Journalismus?
Das «noch» in der Frage lässt zwei Interpretationen zu: 1. Es braucht Journalismus im Zeitalter der Netzwerkmedien nicht mehr. 2. Der Journalismus hat so stark an Geltung verloren, dass sein Nutzen fraglich wird.
ad 1: Netzsurfer bilden keine Gesellschaft
Netwerkmedien wie Blogs, Talks und Social Web bilden fluide themenzentrierte Öffentlichkeiten. D.h. sie können die unabdingbaren Grundfunktionen demokratischer Öffentlichkeit nicht selbst erfüllen. Die Demokratie setzt eine medienvermittelte Öffentlichkeit voraus, die als permanenter Entdeckungszusammenhang allgemeinverbindlich zu lösender Probleme, der Kontrolle und Legitimation der politischen Institutionen und der Integration der Bürgerinnen und Bürger dient. Gesellschaftsweite Koorientierung ist ohne dauerhaft institutionalisierte Informationsmedien nicht zu haben ohne diese Koorientierung funktioniert die Demokratie nicht.
ad 2: Der Geltungsverlust stimmt und ist gefährlich.
Das Qualitätsbewusstsein hat sich auf Seiten der Medienmacher wie der Medienkonsumenten massiv verändert, der Journalismus verliert auf fatale Weise an Berufsprestige und die erfahrenen Journalisten in arrivierten Medien haben eine tiefe Berufszufriedenheit. Besonders gravierend sind die Sozialisationseffekte beim Publikum der 15 bis 35 jährigen, die massgeblich über Gratisangebote (Print/Online/Privatradios) die Gesellschaft wahrnehmen. Sie migrieren viel zu wenig auf Bezahlmedien, verunmöglichen dadurch die Geschäftsmodelle, die guten Journalismus finanzieren können und bilden auch die Rekrutierungsgenerationen eines reputationsschädigenden Billig-Journalismus der Rezyklierung von Newssites, in Gratiszeitungen und bei Privatradios. Diese Gattungen haben allesamt nicht genügend Ressourcen für eine professionellen Journalismus.
Fazit: Was braucht die Demokratie?
Wenn den Demokraten die Demokratie lieb ist, dann kommen wir ohne neue Finanzierungsgrundlagen für guten Journalismus nicht aus. Professioneller Journalismus ist der wichtigste Service public in Demokratien. Nötig ist das Folgende: 1. Die primären Träger der Publizistik sind neben den öffentlichen Medien die Abonnementszeitungen. Deren Geschäftsmodell funktioniert freilich nicht mehr. Wir müssen zu einem Mediensystem kommen, das durch staatliche und zivilgesellschaftliche Mittel (im Rahmen einer eidgenössischen Stiftung) auf der Basis von Qualitätskriterien guten Journalismus – unabhängig von seinen Plattformen – fördert. 2. Die Selbstkannibalisierung des professionellen Journalismus durch Gratismedien muss on- und offline beendet werden. Auch die Medienkonsumenten müssen lernen, dass guter Journalismus nicht gratis zu haben ist. 3. Es braucht eine unabhängige Medienbeobachtung, die die Qualitätsstandards erarbeitet und prüft, auf deren Basis die Finanzierung eines professionellen Journalismus gesichert werden kann.
Achille Casanova, già Vicecancelliere della Confederazione e Portavoce del Consiglio federale. Ombudsmann DRS
Per qualcuno che per quasi cinquant’anni ha operato nel e con il giornalismo, la domanda può sembrare inutilmente provocatoria. Non è infatti facile mettere in dubbio il lavoro di una vita.
Eppure con l’avvento sempre più incisivo di internet, Twitter, Facebook, SMS ed altri simili strumenti di comunicazione la domanda è legittima e importante. Al giorno d’oggi con un semplice click ci si culla nell’illusione di essere informati su tutto quello che succede. Per di più gratuitamente. E allora, perché permetterci ancora un costoso giornalismo?
Eppure, proprio perché le informazioni corrono con la velocità dell’elettronica, il giornalismo assume ancora maggior importanza. Non per niente lo stesso Presidente Obama ha recentemente espresso il suo scetticismo nei confronti dei «New Media». In un discorso davanti agli studenti dell’università di Hampton il Presidente americano ha sottolineato che i media moderni ci bombardano 24 ore al giorno e per 7 giorni alla settimana con infiniti contenuti ed argomenti, di cui molti non corrispondono alla realtà. Con strumenti quali iPods e iPads, Xboxen e PlayStations le informazioni diventano diversione e intrattenimento e non sono più veicolo di emancipazione e di sviluppo personale. Ciò non è grave solo per i giovani, ma anche per la stessa democrazia.
Il ruolo del giornalismo e del giornalista rimane dunque estremamente importante. Cercare le informazioni, selezionarle, valutarle, spiegarle, inserirle nel loro contesto e commentarle rimane una impellente necessità di fronte ad una realtà politica, economica e sociale sempre più complessa. La funzione del giornalista di esaminare in modo critico quanto i detentori del potere dicono e fanno, rimane essenziale per il buon funzionamento della democrazia. Che questo lavoro sia sempre più difficile in un periodo come l’attuale, caratterizzato da difficoltà economiche di stampa scritta, radio e televisione, non incide sulla necessità di dover continuare a disporre di un giornalismo di qualità.
Preoccupa nondimeno che, stando a recenti sondaggi, giornalisti e media arrivino all’ultimo posto della graduatoria per quel che concerne la credibilità. Un fatto questo che deve far riflettere e che conferma l’importanza della formazione dei giornalisti ma anche della difesa dei veri valori del giornalismo nei confronti di pur legittime preoccupazioni pecuniarie.