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Miriam Meckel, Professorin für Corporate Communication am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen und derzeit am Berkman Center for Internet & Society der Harvard University, USA

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Miriam Meckel

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Wenn wir uns im Internet umschauen, dann stellen wir fest, dass es eine ganze Reihe von neuen Inhalten gibt, die tatsächlich netzspezifisch innovativ sind oder die eine Hybridform aus traditionellen Inhaltskategorien und neuen Formen der Netzkommunikation darstellen. Dazu gehören zum Beispiel Weblogs. Ausserdem erwachsen dem Internet neue Erzählkulturen, die sich alle Möglichkeiten und Formen der Informationsvermittlung und des Erzählens dienstbar machen. Dazu zählen journalistische Artikel oder auch Romane, an denen interessierte Leser im Netz mitschreiben können, um so wiederum zu Autoren zu werden. …… Wer sich allein aus Blogs informieren will, muss viel Zeit und Energie aufwenden. Deshalb bleibt auch im Internet ein Platz für guten Journalismus. Seine Funktion ist es, einen Beitrag für die sachliche, soziale und zeitliche Synchronisation unserer Gesellschaft zu liefern. Sein Mittel ist die Thematisierung oder das Agenda Setting. Und sein Leitcode ist aktuell/nicht aktuell. Wenn wir uns als Bürger, Konsumenten, soziale Gefährten jeden Tag neu verständigen wollen, brauchen wir diesen Journalismus, der Recherche, investigatives Arbeiten und eine professionelle Beobachtungsgabe sowie ein entsprechendes Einschätzungs- und Einordnungsvermögen voraussetzt.

Die Aktualität ist dabei der zeitliche Filter, mit dem auch der Journalismus im Netz seine Auswahl trifft, Themen für die Leser selektiert. Und zuweilen ist dieser Filter durch die Beschleunigung so eng geworden, dass nur noch der Zeitfaktor eine Rolle spielt und andere Selektionskriterien auf der Strecke bleiben. Schnelligkeit schlägt Sachgenauigkeit und Relevanz. Im Netz wird das zum Teil so bleiben. Aber in den traditionellen Medien erleben wir seit einiger Zeit eine erfreuliche Neubesinnung auf die sachliche und soziale Aktualität in Form von debattenorientierter Hintergrundberichterstattung, längeren Stücken, fast literarisch erzählenden Reportagen. Dafür bleibt die Sprache auch so wichtig, weil sie nicht nur Instrument, sondern im Wortsinne Verwirklichungsmedium des Journalismus ist. Die Formen werden also vielfältiger. Aber die Kernaufgabe des Journalismus bleibt bestehen ebenso wie seine exklusive Codierung durch Aktualität. Wenn er sie im Sinne gesellschaftlicher Synchronisation zu nutzen versteht und dabei nicht die Ohren vor dem «writing out loud» verschliesst, dürfen wir uns auf die Zukunft des Journalismus freuen. Er wird dann weit mehr hervorbringen, als «content» zu beschreiben vermag.

Geschrieben von Maz Blogger

9. August 2010 um 10:15

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