wozu-noch-journalismus.mazblog.ch

Archiv vom Juni, 2010

Milena Moser antwortet dem MAZ

1 Kommentar

Milena Moser

Journalisten erklären die Welt. So, dass man sie versteht. Das ist eine Vertrauensposition. Sie setzt voraus, dass Journalisten wissen, worüber sie schreiben. Dass sie selber hinschauen, nachdenken und Schlüsse ziehen – ohne die Copy-Paste-Funktion zu verwenden. Das braucht Zeit, und das braucht Geld.
Die Antwort ist eineinhalb Kilo schwer und heisst «The San Francisco Panorama» – ein 320 Seiten starkes Experiment des Schriftstellers Dave Eggers («Ein herzzerreissendes Werk von umwerfender Genialität»), der einfach einmal zeigen wollte, was wirklich möglich ist. Was eine Zeitung – im Gegensatz zum Internet – sein kann. Zusammen mit befreundeten arbeitslosen Journalisten kreierte er ein wahres Meisterwerk: mit Originalcomics, hundert Seiten Literaturbeilage, einem sechzehnseitigen Essay von Stephen King über ein Football-Spiel, mit herausnehmbaren Postern, Tusch- Illustrationen, auf grünem und rosa Papier gedruckt und in einem Format, das eigentlich nur auf einem altmodischen Lehnsessel ganz auseinandergefaltet werden kann. Dafür lagen gleich zwei handliche Magazine bei, eines allein für Reportagen.
Das «San Francisco Panorama» war satt mit Anzeigen gespickt und in wenigen Stunden ausverkauft. Eggers schloss daraus, dass Leser durchaus bereit sind, mehr für eine Zeitung zu bezahlen, solange sie auch mehr von ihr bekommen. Fehlt nur noch jemand, der bereit ist, so eine Zeitung auch zu machen. Jeden Tag.

Geschrieben von Maz Blogger

28. Juni 2010 um 15:14

Abgelegt in Allgemeines,Kultur

Ludwig Hasler antwortet dem MAZ

2 Kommentare

Ludwig Hasler

Fragen wir doch gleich: Wozu noch Demokratie? Solange das Volk in allen wichtigen Fragen das letzte Wort hat, braucht es Informationen, die nicht aus PR-Abteilungen kommen, Argumente, die nicht von Interessenvertretern vorgekaut sind. Für diesen Service public bleibt Journalismus die erste Adresse – gerade im Zeitalter der digitalen «Schwarmintellingenz»: Wenn angeblich jede Information jederzeit verfügbar wird, wächst das Bedürfnis nach einer Autorität, die auswählt, nachforscht, durchblickt, klug, scharfzüngig, erhellend formuliert.

Die Frage wirkt also rhetorisch – und taugt doch zur Klärung des Selbstverständnisses. Journalisten sind selber schuld, wenn die Blogosphäre gerade für intelligente Zeitgenossen interessanter wird als das routinierte Einerlei mancher Tagesmedien; sie machen sich selber überflüssig, wenn sie bloss weiter reichen, was ins Netz gestellt, in Communiques geschrieben wird. Journalismus überlebt als Aufmischer der Infoklumpen, als intelligentes Ferment der Meinungsträgheit. Er muss weg von der einschläfernden Konsenskultur – hin zur Lust auf Dissens, zum Anzetteln leidenschaftlicher Debatten. Journalismus als Fegefeuer der Denkfaulheit: unabhängig, engagiert, unverschämt.

Ludwig Hasler, Publizist, Philosoph

Geschrieben von Maz Blogger

24. Juni 2010 um 14:13

Abgelegt in Allgemeines,Kultur

Markus Spillmann antwortet dem MAZ

Keine Kommentare

Markus Spillmann

Eigenartig, diese Frage – ich habe sie mir in meinem ganzen Berufsleben so noch nie gestellt. Offenbar nehme ich etwas für selbstverständlich, das es nicht ist; oder etwa nicht mehr?

Hätte die Frage gelautet, «wozu noch guter Journalismus?», wäre mir eine Antwort leichter gefallen. Journalismus ist mehr als handwerkliches Genügen, mehr als die rein funktionale Haltung, Inhalte kostenlos oder gegen Entgelt zu produzieren. Denn das können viele – und immer mehr, der technologische Fortschritt sei Dank. Guter Journalismus aber definiert sich über Kompetenzen, über Talente, über Fleiss und Ehrgeiz, über Idealismus und – ja – Passion. Handwerkliches Genügen ist dabei eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung. Denn auch schlechter Journalismus kann handwerklich hervorragend gemacht sein. Jeder Chirug kann mit akuraten Schnitten den Blinddarm herausoperieren. Allein: Ohne richtige Diagnose, warum der Patient über Bauchschmerzen klagt, ist der Eingriff unter Umständen nichts wert.

Warum also Journalismus – den guten? – Nun, weil es in einer Welt voller Informationen Platz hat für eine Berufsgattung, die für andere Menschen diese Informationsfülle sichtet, ordnet, nach Relevanz prüft, Mehrwerte schafft durch Ausleuchtung und Hintergrund, durch Recherche und Offenlegung, durch Analyse und – ja, gerade auch in Zeiten der Vielstimmigkeit – durch Meinung. Das galt vor 100 Jahren genauso wie es heute gilt – und es wird auch morgen noch so sein.

Das Handwerkliche mag sich ändern, das Prinzip aber bleibt sich gleich: Guter Journalismus schafft Ordnung, sorgt für Transparenz, reduziert Komplexitäten, bietet einen Kompass und leuchtet den Weg. Journalismus ist mehr als das Nachplappern von Informationen; Journalismus schafft Inhalte. Das war, das ist und das bleibt eine hehre Aufgabe, eine wunderschöne Herausforderung, nicht ohne Fallstricke, nicht ohne Widersprüche. Vielleicht liebe ich meinen Beruf deshalb so sehr, und vielleicht ist das auch der Grund, dass ich mir diese Frage nie gestellt habe. Kurzum: Ich bin Journalist.

Geschrieben von Maz Blogger

21. Juni 2010 um 18:38

Abgelegt in Allgemeines,Medien

Ottmar Hitzfeld antwortet dem MAZ

Keine Kommentare

Ottmar Hitzfeld

Wenn Journalisten mir Fragen stellen, die ich als gut einstufe und die mich zum Nachdenken anregen, ja, bisweilen zwingen, spiele ich bisweilen etwas auf Zeit, so dass der Journalist oder die Journalistin meint, nachlegen respektive präzisieren zu müssen. Derweil kann ich meine Gedanken für die Antwort auf die Frage ordnen und antworten.

Für eine Antwort auf die Frage, ob es (noch) Journalismus braucht, besteht kein Bedarf auf Zeit zu spielen. Denn meine Antwort ist klar, wohl überlegt und lautet Ja! Unbedingt! Mehr denn je!

Dieses laute Ja formuliert sich nicht ohne Blick auf die jüngste Entwicklung in der viel zitierten und viel zitierenden Medienbranche. Denn deren modernste Eigenschaft scheint nicht nur zu sein, dass Informationen kostenlos zu haben sind, sondern auch schnell, schneller und immer noch schneller. Die Qualität dieser Berichterstattung hält das Tempo durchaus mit – aber die Richtung dieser Entwicklung stimmt für mich nicht und die Folgen sind Oberflächlichkeiten, aufgebauschte Belanglosigkeiten, inszenierter Starkult, Ungenauigkeiten, Teilwahrheiten und leider auch Unwahrheiten.

Dass derlei, nicht selten noch effektvoll animiert durch Fotos oder Video-Clips, in Sekundenschnelle um die Welt geht, ist das Eine. Dass solche «News» und Storys oft genug unwiderfragt weiter verbreitet oder gar Effekt haschend angereichert werden, ist das Andere. Und weder das Eine, noch das Andere entspricht meinen Vorstellungen von seriösem Journalismus, den es in Zeiten mit derartigen medialen Facetten braucht. Unbedingt. Mehr denn je.

Für die seriösen Inhalte von Berichten, Reportagen, Porträts, Interviews, Hintergrund-Storys oder Kommentaren braucht es Journalistinnen und Journalisten mit solider Ausbildung, angeeigneter Erfahrung im Beruf. Und es braucht Medienhäuser, die auf diese Arten Medienschaffende und Medienschaffen setzen, die Zeit geben für tiefgründige Recherchen. Fernsehen, Radio, Internet sind schnelle Medien, um so wichtiger ist darum für mich, dass insbesondere bezahlte Tageszeitungen nicht deren Tempo und Rhythmus mitzugehen versuchen, sondern deren «Basics» ergänzen, vertiefen, werten und einordnen. Das ist mein Qualitätsanspruch (ohne Blick auf Wirtschafts- oder Anzeigensituation), das ist mein unbedingter Wunsch, und er ist stärker denn je.

Ottmar Hitzfeld, Coach der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft

Geschrieben von Maz Blogger

17. Juni 2010 um 10:32

Abgelegt in Allgemeines,Sport

Peter von Matt antwortet dem MAZ

Keine Kommentare

Peter von Matt

Man muss unterscheiden zwischen dem Medium und der gesellschaftlichen Aufgabe des Journalismus. Die Medien ändern sich. Wie sie das tun, zeichnet sich in der Tendenz ab. Wie sehr sie es tun werden, ist nicht vorherzusagen. Der gänzliche Untergang der Printmedien ist unwahrscheinlich, eine stärkere funktionale Ausdifferenzierung dagegen anzunehmen. Dies hängt zusammen mit der gesellschaftlichen Aufgabe des Journalismus. Information über das jeweils Neue kann jedes Medium liefern.

Information mit Einordnung in die relevanten Kontexte aber, mit systematischer Prüfung der Stichhaltigkeit, mit Abwägung der möglichen Konsequenzen und Reflexion der historischen Bedingungen erbringt nur der Qualitätsjournalismus. Dieser steht einerseits den Blogs gegenüber, in denen über alles irgendwas gesagt wird, und andererseits den Talks, in denen möglichst Kontroverses möglichst laut gesagt wird. Beide blockieren die folgerichtige Analyse. Für diese braucht es den Journalismus von Rang.

Peter von Matt, Publizist und emeritierter Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Zürich

Geschrieben von Maz Blogger

16. Juni 2010 um 12:25

Abgelegt in Allgemeines,Kultur

Margrit Sprecher antwortet dem MAZ

1 Kommentar


Margrit Sprecher

Es ist nicht die Frage, die erschreckt. Es ist die Tatsache, dass sie gestellt wird. So tief also ist unser Selbstbewusstsein schon gesunken. Nur, weil sich Heerscharen von Hobby-Tippern im Internet tummeln und ihre momentanen Befindlichkeiten ins All schleudern, fragen sich ausgebildete JournalistInnen ernsthaft: Braucht es uns noch? Nur weil die Online-Dienste der Medien – dank ihrer Kürze und Aktualität –  immer häufiger genutzt werden, bangen wir: Mag noch jemand Zeitung lesen?

Kein Gourmetkoch schliesst sein Restaurant, weil die Fastfood-Ketten boomen. Denn er weiss: Seine Gerichte werden nicht bloss konsumiert und gleich wieder vergessen. Sein Gast studiert, bewertet und geniesst das Gebotene. So wie der Leser eine gute Zeitungen und Zeitschrift. Gute Blätter sind kreativ, sorgen für Ambiente und Zwischentöne. Sie fügen die Info-Fetzen aus dem Internet und den Gratis-Zeitungen zum Bild,  erkennen Zusammenhänge und liefern Tiefenschärfe. Gut möglich, dass wir es uns diesbezüglich zu lange zu leicht gemacht haben. Höchste Zeit, dies zu ändern.

 Margrit Sprecher, freie Journalistin

Geschrieben von Maz Blogger

13. Juni 2010 um 20:40

Abgelegt in Allgemeines

Pietro Supino antwortet dem MAZ

1 Kommentar

Pietro Supino, Verleger und Präsident des Verwaltungsrats Tamedia AG

Pietro Supino

«Journalismus war, ist und bleibt sehr wichtig. Die Menschen auf der Welt rücken immer näher zusammen. Gleichzeitig fragmentiert sich die Gesellschaft immer mehr. Das stark wachsende Angebot unterschiedlicher Kommunikationsplattformen ermöglicht es jeder Gruppe mit gemeinsamen Interessen, über geografische und soziale Grenzen hinweg untereinander zu kommunizieren. Die Folge sind eng verknüpfte, von anderen aber ebenso klar abgegrenzte Teilgesellschaften.

Guter Journalismus und die Geschichten, die diesen Journalismus auszeichnen, bilden Klammern um unsere fragmentierte Gesellschaft. Guter Journalismus bewegt sich über gesellschaftliche Grenzen hinweg und schafft Möglichkeiten eines verbindenden Diskurses. Unsere Herausforderung als Verleger ist es, vor dem Hintergrund des gewaltigen Strukturwandels gleichzeitig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und unsere traditionsreichen Medien in ihren jeweiligen Eigenarten in die Zukunft zu führen, ohne dabei unsere auch politische Unabhängigkeit zu verlieren.Ich bin guten Mutes, dass uns dies gelingen wird. Denn guter Journalismus ist, davon bin überzeugt, für die Gesellschaft unverzichtbar.»

Pietro Supino, Verleger und Präsident des Verwaltungsrats Tamedia AG

Geschrieben von Maz Blogger

10. Juni 2010 um 17:22

Abgelegt in Allgemeines,Medien

Bundesrat Moritz Leuenberger antwortet dem MAZ

1 Kommentar

Bundesrat Moritz Leuenberger antwortet dem MAZ, der Schweizer Journalistenschule

Moritz Leuenberger

«Medienkonsumenten sind auch Bürger.

Wozu noch Journalismus? Ein Seufzer, den Zeitungsleserinnen, Fernsehzuschauer und Journalistinnen gleichermassen zum Himmel senden, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Die Entwicklung der Medienlandschaft der letzten Jahre könnte ja tatsächlich den Eindruck vermitteln, der Journalismus werde nach und nach abgeschafft. Traditionsreiche Zeitungstitel sind im Zuge von Fusionen verschwunden. Die verbliebenen Redaktionen wurden unter wirtschaftlichem Druck merklich ausgedünnt. Dies schlägt sich in Qualitätseinbussen nieder. Gründlich recherchierte Artikel sind selten geworden, Journalistinnen und Journalisten sind unter Druck, rasch und viel zu produzieren. Gratiszeitungen richten ihren Journalismus nach den Kriterien der Werbung und der Effekthascherei aus.

Dieser kulturpessimistischen Bilanz muss aber sogleich ein ganzheitlicher Blick folgen. Während sich der Blätterwald gelichtet hat, hat sich die Informationsfülle verdichtet. Wir informieren uns gleichzeitig über immer mehr Kanäle: Zeitungen, Radio, Fernsehen, Internet, SMS, Twitter, Facebook. Wir merken dabei: Eine Vielfalt an Informationsträgern, die schier unendliche Mengen an Informationen verbreiten, bedeutet nicht automatisch, dass wir besser informiert wären.

Wer auf dem Meer unterwegs ist, braucht Navigationshilfen. Aufklären, einordnen, gewichten, übersetzen: Auf diese Kernkompetenzen des Journalismus sind wir dringend angewiesen. Journalismus sollte seinen Lesern, Zuhörerinnen und Zuschauern die Fakten so vermitteln, dass sie selber zur freien Meinungsbildung fähig werden. Medienkonsumenten sind auch Bürger. Dies ist – gerade in unserer direkten Demokratie – die grosse gesellschaftliche und politische Aufgabe des Journalismus. Sie darf auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht geopfert werden. Das MAZ trägt seit 25 Jahren dazu bei, das Bewusstsein für diese Verantwortung zu schärfen. Diesen Beitrag braucht es heute mehr denn je.»   

Bundesrat Moritz Leuenberger – Antwort auf die Frage „Wozu noch Journalismus“ 

Geschrieben von Maz Blogger

10. Juni 2010 um 17:01

Abgelegt in Allgemeines,Politik

WOZU NOCH JOURNALISMUS? … fragt das MAZ

Keine Kommentare

Diese Frage stellen wir Persönlichkeiten aus Medien, Kultur, Politik, Sport und Wirtschaft und erhalten anregende Antworten. Sie zeigen uns die Bedeutung unseres Berufes auf – wir sind gefordert als Navigatoren, als Frühwarnsystem der Nation und als «Aufmischer» der Infoklumpen. Journalismus als Fegefeuer der Denkfaulheit… Und sie motivieren zu analysieren, zu hinterfragen und zu vertiefen, einzuordnen und zu bewerten und für Bedingungen einzustehen, welche dies ermöglichen.

Wir schalten jede Woche zwei neue Statements auf www.maz.ch und möchten so die Debatte über die Veränderung unseres Berufsbildes, bzw. der journalistischen Rollen und Aufgaben intensivieren.

Geschrieben von Maz Blogger

10. Juni 2010 um 16:55

Abgelegt in Allgemeines

Bald…

Keine Kommentare

Hier entsteht ein neuer mazblog. Bitte noch etwas Geduld.

Geschrieben von Jodok Kobelt

8. Juni 2010 um 21:25

Abgelegt in Allgemeines