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Archiv vom September, 2010

All about hacks: Interview mit Jemima Kiss

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5 Erkenntnisse aus dem Interview von Hugo Bigi mit der Medien- und Technologiereporterin Jemima Kiss vom Guardian.

  • Ein integrierter Newsroom ist „oh god, absolutely exhausting“.
  • Der Guardian beschäftigt 30 Web-Entwickler. Aber auch 100 würde die Arbeit nicht ausgehen.
  • Sie versucht, so viele neue Kommunikationstools wie möglich auszuprobieren, um jene zu finden, die am besten funktionieren. Aktueller Favorit: Twitter.
  • Artikel sollten immer mit einem Bild und einer Byline zum Autor / zur Autorin versehen werden. Das schafft Transparenz und erhöht die Qualität der Leserkommentare drastisch.
  • Die Zukunft des Journalismus „is all about hacks and hacking“

Zur Person: JEMIMA KISS
Medien- und Technologiereporterin beim Guardian in London
> The Guardian
> Persönliche Website
> Jemima Kiss bei Twitter

Geschrieben von David Bauer

7. September 2010 um 19:34

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Die Revolution: Referat von Wolfgang Blau

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„Es gehört zum Wesen von Revolutionen, dass ein Teil der Elite lieber untergeht, als sich zu verändern.“

Wolfgang Blau beschreibt den Wandel, den der Journalismus aktuell durchmacht, als echte Revolution. Eine Revolution, die weh tut. Eine Revolution, die fordert und überfordert. Vor allem aber eine Revolution mit ungewissem Ausgang: „Das Netz schafft für uns alle eine neue Ordnung. Ob diese besser oder schlechter sein wird als die jetzige, das wissen wir noch nicht.“

Die schwierigste und wichtigste Aufgabe, die Medienmacher haben: Sie müssen den Kulturwandel mitmachen und gleichzeitig steuern. Laut Blau bewegt sich die Branche nicht schnell genug, sie verschwende viel zu viel Zeit mit nostalgischen Rückblicken.

Journalisten täten sich so schwer mit der Veränderung, weil einst so sicher geglaubte Grenzen verschwimmen. Insbesondere zwischen Profis und Amateuren. Es geht um nichts weniger als die Identität des Journalisten, seine Rolle und das Selbstverständnis, mit dem er arbeitet.

Blau streicht drei Kernpunkte des Journalismus von heute heraus:

1) Interaktion muss als genuiner Bestandteil des Journalismus verstanden werden. Wir können nicht Kommunikation als unsere Kernkompetenz ansehen, wenn wir im Netz als schweigende Inseln wahrgenommen werden. Rein rechnerisch gibt es „da draussen“ immer jemanden, der zu einem Thema, über das wir berichten, besser Bescheid weiss als wir. Wir müssen diese Leute einbeziehen und ihnen auf Augenhöhe begegnen.

2) Transparenz ist heute selbstverständlich. Politiker in den USA und England werden von verschiedenen Organisationen und Medien bis ins kleinste Detail durchleutet. Auch wir als Journalisten müssen unseren Lesern gegenüber transparenter werden. Journalisten müssen offen legen, wo sie stehen, mit wem sie wie verbunden oder verflochten sind. Glaubwürdigkeit ist, wenn sie es nicht immer schon war, so sicher im heutigen Umfeld unser höchstes Gut.

3) Mehr Journalisten müssen lernen, wie man programmiert, mehr Programmierer müssen zu Journalisten werden. Nur so sind wir in der Lage, die riesigen Datenberge sinnvoll für unsere Arbeit zu nutzen und für unsere Leser aufzubereiten. Es ist eine Pflichtverletzung jedes Journalisten, der sich als Teil der vierten Gewalt versteht, wenn er das Internet nicht gut versteht. Das Internet ist quasi Betriebssystem unserer Gesellschaft, nicht einfach nur Vertriebskanal.

Journalisten sollen sich nicht beklagen, sondern sich privilegiert fühlen. Uns steht eine unglaublich spannende Zeit bevor. Wir haben das Privileg, in einer Zeit als Journalisten zu arbeiten, in der sich die Branche neu erfindet.

Was wir als Journalisten brauchen um zu bestehen: Mut. Mut uns zu verändern und Mut, das Ungewisse zu umarmen.

Zur Person: WOLFGANG BLAU
Chefredaktor ZEIT Online in Hamburg
> ZEIT Online
> Persönliche Website
> Wolfgang Blau bei Twitter

Geschrieben von David Bauer

7. September 2010 um 18:33

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Change and Uncertainty: Keynote von Jonathan Hewett

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„Es reicht nicht, wenn wir auf Veränderungen reagieren, wir müssen sie proaktiv angehen.“

Hewett zeigt anhand von verschiedenen Analogien, wo sich der Journalismus sich heute befindet und in welche Richtung er sich verändern muss.

1) Elisabeth Kübler-Ross: In „On Death and Dying“ hat die Psychiaterin ein Standardmodell entwickelt, wie Menschen mit Tod und dem Sterben umgehen. Sie beschreibt fünf Phasen des Trauerns: Denial, Anger, Bargaining, Depression, Acceptance. Hewitt lakonisch: „Wir alle kennen Aussagen von Kollegen, die sich genau entlang dieser Phasen bewegen.“

2) Gaskocher: Vor 25 Jahren hat Hewett ein Jahr in Deutschland gelebt und hatte dabei zum Kochen nur einen einzigen Gaskocher zur Verfügung. Ein deutscher Kollege schlug ihm vor, Eintopf zu kochen. Hewetts erster Versuch: Ein Eintopf aus Spaghetti, Kartoffeln und Linsen. Die Analogie zum Journalismus? „Viele Medienhäuser versuchen heute irgendwie Eintopf zu kochen, vermischen alles mögliche, was ihnen gerade in den Sinn kommt.“

3) Grocott’s Mail: 1869 gegründet ist Grocott’s Mail die älteste Zeitung Südafrikas. Traditionell ist bei der Zeitung nicht mehr viel. Mit ihrer Onlineausgabe Grahamstown NOW prägt sie modernen Journalismus an forderster Front mit. Die mobile Applikation bietet neben lokalen News auch viele lokale Services (Mitfahr-Koordination unter Nutzern, Sonderaktionen von lokalen Händlern direkt per SMS an die Leserschaft)

4) Thomas Midgely: Der Chemiker hat zahlreiche Substanzen entdeckt, die heutige Treibstoffe ermöglicht haben und Veränderungen ausgelöst haben, die damals weder er noch andere vorausgesehen haben. Midgely wurde einmal als jene Person kritisiert, die am meisten zur Klimaschädigung beigetragen hat. Die Analogie zum Journalismus: Aktuell finden Veränderungen statt und werden Weichen gestellt, deren Folgen nicht absehbar sind. Dessen müssen sich Journalisten bewusst sein.

Hewett betont mit Blick auf die Zukunft des Journalismus insbesondere die Bedeutung von datengetriebenem Journalismus (data journalism), der öffentlich zugängliche Datenbanken nutzt, hyperlokale Communities aktiviert, stark auf Programmierung und Visualisierung setzt und dem Journalismus neue Möglichkeiten eröffnet. „That might be a million miles away from what we traditionally think journalism is, but it’s hugely important“.

Einfach in Kübler-Ross‘ letzte Phase der „Acceptance“ über zu gehen, könne nicht der richtige Weg sein.

Zur Person: JONATHAN HEWETT
Director of Newspaper Journalism, Graduate School of Journalism, City University London.
> Universitäts-Profilseite
> Hewitts Blog: Hackademic
> Jonathan Hewett bei Twitter

Geschrieben von David Bauer

7. September 2010 um 18:04

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MAZ-Mediapodium: Wozu noch Journalismus?

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Die Frage klingt nach Defensive, das MAZ geht damit heute in die Offensive. Drei hochkarätige Gäste aus dem Ausland sind am Mediapodium im KKL in Luzern zu Gast, um gemeinsam mit Medienschaffenden aus der Schweiz die Frage zu erörtern: Wozu noch Journalismus? Die Gäste: Jonathan Hewett, Director of Newspaper Journalism an der City University of London. Wolfgang Blau, Chefredaktor von ZEIT Online. Jemima Kiss, Medien- und Technologiereporterin bei The Guardian.

Das Datum könnte passender nicht sein: Heute wurden die neuen WEMF-Zahlen veröffentlicht, die der Schweizer Presselandschaft (mit wenigen Ausnahmen) erneut einen Leserschwund bescheinigen (auf sehr hohem Niveau, nach wie vor, notabene). Ist das der gewünschte Justifier für das Podium oder ungewollte Ironie? Wir werden es im Laufe des Abends erfahren.

Eine Vorbemerkung zum Thema des Abends, der Frage: Wozu noch Journalismus?, welche das MAZ in den letzten Wochen bereits zahlreichen prominenten Persönlichenkeiten der Schweiz gestellt hat (die Antworten sind in diesem Blog nachzulesen). Müssen wir als Journalisten diese Frage wirklich stellen? Und sie unter unsergleichen beantworten (das Mediapodium ist leider nur für geladene Gäste)? Wir wissen doch ganz genau, was Journalismus zu leisten vermag und warum er wichtig ist. Die grosse Herausforderung unserer Zeit ist nicht, eine Daseinsberechtigung für den Journalismus zu finden, sondern eine Antwort auf die Frage: WIE hat der Journalismus des 21. Jahrhunderts auszusehen? Ich hoffe sehr, dass diese Frage heute Abend im Zentrum stehen wird. Die richtigen Gäste dazu hat das MAZ allemal eingeladen.

Live vom MAZ-Mediapodium aus dem KKL in Luzern berichtet ab 16:15: David Bauer

Geschrieben von David Bauer

7. September 2010 um 09:17

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Kurt Imhof, Prof. Kommunikationswissenschaften und Soziologie, Universität Zürich

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Kurt Imhof

Kurt Imhof

Wozu noch Journalismus?

Das «noch» in der Frage lässt zwei Interpretationen zu: 1. Es braucht Journalismus im Zeitalter der Netzwerkmedien nicht mehr. 2. Der Journalismus hat so stark an Geltung verloren, dass sein Nutzen fraglich wird.

ad 1: Netzsurfer bilden keine Gesellschaft
Netwerkmedien wie Blogs, Talks und Social Web bilden fluide themenzentrierte Öffentlichkeiten. D.h. sie können die unabdingbaren Grundfunktionen demokratischer Öffentlichkeit nicht selbst erfüllen. Die Demokratie setzt eine medienvermittelte Öffentlichkeit voraus, die als permanenter Entdeckungszusammenhang allgemeinverbindlich zu lösender Probleme, der Kontrolle und Legitimation der politischen Institutionen und der Integration der Bürgerinnen und Bürger dient. Gesellschaftsweite Koorientierung ist ohne dauerhaft institutionalisierte Informationsmedien nicht zu haben ohne diese Koorientierung funktioniert die Demokratie nicht.

ad 2: Der Geltungsverlust stimmt und ist gefährlich.
Das Qualitätsbewusstsein hat sich auf Seiten der Medienmacher wie der Medienkonsumenten massiv verändert, der Journalismus verliert auf fatale Weise an Berufsprestige und die erfahrenen Journalisten in arrivierten Medien haben eine tiefe Berufszufriedenheit. Besonders gravierend sind die Sozialisationseffekte beim Publikum der 15 bis 35 jährigen, die massgeblich über Gratisangebote (Print/Online/Privatradios) die Gesellschaft wahrnehmen. Sie migrieren viel zu wenig auf Bezahlmedien, verunmöglichen dadurch die Geschäftsmodelle, die guten Journalismus finanzieren können und bilden auch die Rekrutierungsgenerationen eines reputationsschädigenden Billig-Journalismus der Rezyklierung von Newssites, in Gratiszeitungen und bei Privatradios. Diese Gattungen haben allesamt nicht genügend Ressourcen für eine professionellen Journalismus.

Fazit: Was braucht die Demokratie?
Wenn den Demokraten die Demokratie lieb ist, dann kommen wir ohne neue Finanzierungsgrundlagen für guten Journalismus nicht aus. Professioneller Journalismus ist der wichtigste Service public in Demokratien. Nötig ist das Folgende: 1. Die primären Träger der Publizistik sind neben den öffentlichen Medien die Abonnementszeitungen. Deren Geschäftsmodell funktioniert freilich nicht mehr. Wir müssen zu einem Mediensystem kommen, das durch staatliche und zivilgesellschaftliche Mittel (im Rahmen einer eidgenössischen Stiftung) auf der Basis von Qualitätskriterien guten Journalismus – unabhängig von seinen Plattformen – fördert. 2. Die Selbstkannibalisierung des professionellen Journalismus durch Gratismedien muss on- und offline beendet werden. Auch die Medienkonsumenten müssen lernen, dass guter Journalismus nicht gratis zu haben ist. 3. Es braucht eine unabhängige Medienbeobachtung, die die Qualitätsstandards erarbeitet und prüft, auf deren Basis die Finanzierung eines professionellen Journalismus gesichert werden kann.

Geschrieben von Maz Blogger

7. September 2010 um 08:47

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Louis Schelbert, Nationalrat, antwortet dem MAZ

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Louis Schelbert

Louis Schelbert, Nationalrat

Die erzählte Geschichte ist eine anthropologische Konstante. Heute gibt es sie vom Mund zum Ohr so gut wie via Satellit. Was technisch dazu kam, wurde zur Ergänzung.

Der Univox-Bericht 2009 sagt: Zwei Drittel der Bevölkerung schauen täglich TV, 60 Prozent lesen jeden Tag Zeitung und 46 Prozent hören täglich Radio. Journalismus wird also genutzt – und er ist notwendig. Journalistinnen wählen aus der Unendlichkeit der Informationsfülle aus. Sie stellen in einem handhabbaren Rahmen Wichtiges übersichtlich dar, gewichten, kommentieren. Zeitungen oder Radios auf der Höhe der Zeit führen über sich hinaus, kombinieren mit andern Medien wie dem Internet, wo quasi unendlich Stoff abrufbereit lagert.

Die Vielfalt leidet unter den Gesetzen des Marktes. Heute gehören Medien jeglichen Zuschnitts zum gleichen Haus. Doch ohne Divergenz keine Einheit, so einfach und kompliziert ist es. In der Medienkonzentration sehe ich die grösste Gefahr. Journalismus muss der Aufrechterhaltung der Vielfalt dienen. Das gilt weltweit und liegt auch im Interesse der Demokratie.

Geschrieben von Maz Blogger

2. September 2010 um 16:07

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