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Ottmar Hitzfeld antwortet dem MAZ

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Ottmar Hitzfeld

Wenn Journalisten mir Fragen stellen, die ich als gut einstufe und die mich zum Nachdenken anregen, ja, bisweilen zwingen, spiele ich bisweilen etwas auf Zeit, so dass der Journalist oder die Journalistin meint, nachlegen respektive präzisieren zu müssen. Derweil kann ich meine Gedanken für die Antwort auf die Frage ordnen und antworten.

Für eine Antwort auf die Frage, ob es (noch) Journalismus braucht, besteht kein Bedarf auf Zeit zu spielen. Denn meine Antwort ist klar, wohl überlegt und lautet Ja! Unbedingt! Mehr denn je!

Dieses laute Ja formuliert sich nicht ohne Blick auf die jüngste Entwicklung in der viel zitierten und viel zitierenden Medienbranche. Denn deren modernste Eigenschaft scheint nicht nur zu sein, dass Informationen kostenlos zu haben sind, sondern auch schnell, schneller und immer noch schneller. Die Qualität dieser Berichterstattung hält das Tempo durchaus mit – aber die Richtung dieser Entwicklung stimmt für mich nicht und die Folgen sind Oberflächlichkeiten, aufgebauschte Belanglosigkeiten, inszenierter Starkult, Ungenauigkeiten, Teilwahrheiten und leider auch Unwahrheiten.

Dass derlei, nicht selten noch effektvoll animiert durch Fotos oder Video-Clips, in Sekundenschnelle um die Welt geht, ist das Eine. Dass solche «News» und Storys oft genug unwiderfragt weiter verbreitet oder gar Effekt haschend angereichert werden, ist das Andere. Und weder das Eine, noch das Andere entspricht meinen Vorstellungen von seriösem Journalismus, den es in Zeiten mit derartigen medialen Facetten braucht. Unbedingt. Mehr denn je.

Für die seriösen Inhalte von Berichten, Reportagen, Porträts, Interviews, Hintergrund-Storys oder Kommentaren braucht es Journalistinnen und Journalisten mit solider Ausbildung, angeeigneter Erfahrung im Beruf. Und es braucht Medienhäuser, die auf diese Arten Medienschaffende und Medienschaffen setzen, die Zeit geben für tiefgründige Recherchen. Fernsehen, Radio, Internet sind schnelle Medien, um so wichtiger ist darum für mich, dass insbesondere bezahlte Tageszeitungen nicht deren Tempo und Rhythmus mitzugehen versuchen, sondern deren «Basics» ergänzen, vertiefen, werten und einordnen. Das ist mein Qualitätsanspruch (ohne Blick auf Wirtschafts- oder Anzeigensituation), das ist mein unbedingter Wunsch, und er ist stärker denn je.

Ottmar Hitzfeld, Coach der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft

Geschrieben von Maz Blogger

17. Juni 2010 um 10:32

Abgelegt in Allgemeines,Sport

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